Seelische Krisen

Jeder von uns kennt den Ausdruck „Nervenzusammenbruch“. Dieses Wort drückt sehr gut aus, was während einer seelischen Krise passiert: die Belastung der Seele ist so groß, dass sie droht zusammen zu brechen oder es tatsächlich tut. Ausdruck findet ein Seelen-Zusammenbruch durch vielerlei Symptome. Menschen berichten von körperlichen Symptomen wie Schlaflosigkeit, Angstträumen, Panik-Attacken, Herz-, Kreislaufstörungen, Hautreizungen, Verdauungsproblemen oder auch von heftigen Gefühlsreaktionen und Stimmungszuständen wie etwa Verbitterung, Resignation, Selbstzweifel, leichter Kränkbarkeit.

Es kann auch zu Störungen der sozialen Fähigkeiten kommen. Menschen verlieren dann die Fähigkeit, sich abzugrenzen, nein zu sagen oder reagieren unangemessen mit Wutausbrüchen, Streitsucht und Rechthaberei. So kann es passieren, dass sich ein Mensch unter seelischer Belastung rechthaberisch erlebt und gleichzeitig leicht verletzbar ist. Sein Beharren auf einem Standpunkt fordert sein Gegenüber heraus, sich zu wehren und abzugrenzen, was ersterer wiederum verletzend und kränkend empfindet.
Bedauerlicherweise treten all diese Symptome und Phänomene selten einzeln auf. Eine  Stimmungslage von andauernder Gereiztheit kann beispielsweise kombiniert sein mit saurem Aufstoßen oder latentem Kopfschmerz.

Wie entstehen seelische Krisen?

Wir stellen uns heute in den Psychotherapie-Wissenschaften vor, dass durch ein Ungleichgewicht der prinzipiell vorhandenen Anpassungs- und Verarbeitungsfähigkeiten seelische Krisen entstehen. Ich vergleiche solche Krisen gerne mit Hindernissen auf unseren Wegen. Eine Summe mehrerer Belastungen oder besonders schwerer und schwieriger Lebenssituationen/ Hindernisse können in uns allen seelische Krisen auslösen und uns zum Stolpern oder gar Stürzen bringen. Nicht, dass wir nicht fähig wären, diese Hindernisse zu überwinden – manchmal sind wir jedoch nicht ausreichend gut ausgestattet. Das Leben konfrontiert uns mit Erfahrungen, mit Erleben, das wir bisher nicht zu bewältigen hatten und es fehlt uns an einer Lösung.

Was kann Psychotherapie bei seelischen Krisen?

Psychotherapie verhilft dazu, das Erleben erträglich zu machen, indem sie Ihnen ermöglicht vorerst so sein zu dürfen wie Sie (auch) sind: trauernd, duldend, verzweifelt, von Schmerzen und Ängsten geplagt, zornig, in Nöten. Diese seelischen Verfassungen haben in unserer hektischen Welt oft keinen Platz und Freunde sollen verschont bleiben. Anteilnahme und Versorgung würden zwar helfen, finden allerdings keine Zeit. Wohin also mit all den Lasten? Hier wirkt Psychotherapie entlastend – so wird es dann auch wieder leichter. 
Zusätzlich geht es in den Psychotherapie-Sitzungen dann auch darum neue, also weitere, Bewältigungsstrategien mit Ihnen zu erarbeiten – aus Ihnen heraus zu (ent-)wickeln.

Wann tauchen seelische Krisen auf?

Häufig treten seelische Krisen an sogenannten Lebensschwellen auf. Dazu zählen im Kindesalter vor allem die Zeitpunkte der Geburt eines Geschwisterkindes, der Eingewöhnung in den Kindergarten oder auch des Eintritts in die Schule. Die Pubertät geht mit einer allgemeinen seelischen Labilisierung einher und auch die Jugendphase verlangt dem einzelnen Individuum viele Kompromisse und Anpassungsprozesse ab.

Im Erwachsenenalter zwischen 30. und 40. Lebensjahr befinden wir uns hauptsächlich in der Phase von Familiengründung und Etablierung eines Familienlebens. Noch immer stehen in dieser Altersgruppe die Frauen mit Doppel- und Dreifachbelastungen im Vordergrund. Die Versorgung der Kinder und die eigene Berufslaufbahn sollen bewältigt werden - so nebenbei gilt es auch noch sich den Herausforderungen in der Partnerschaft zu stellen.
Ab dem ca. 40. Lebensjahr beginnt eine Dekade der Bilanzphasen. Beruflich und privat wird zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr mehrmals bilanziert. Es entsteht viel Unruhe und wiederum geht es um eine Neupositionierung. Häufig ist diese Phase von der Pubertät der eigenen Kinder und deren Auszug aus dem Elternhaus geprägt. Zusätzlich erleben wir Herausforderungen wie die Versorgung der eigenen, gebrechlichen oder kranken Eltern oder deren Ableben. Jahrelang wandeln Menschen in diesen Lebensabschnitten an der Kippe zur Überlastung und Überforderung entlang.

Phasentypisch für das Alter sind Verlusterfahrungen wie zum Beispiel das Ende des Beruflebens,  wodurch es häufig zum Gefühl des Verlusts von Anerkennung kommt. Ein Leben mit Einschränkungen durch einen alternden Körper, Krankheit/en oder auch Verluste der Partner*innen ist zu bewältigen.

An allen diesen Lebensschwellen kann es zu seelischen Krisen kommen, die bis hin zu Identitätskrisen führen können. Wenn das innere seelische Gleichgewicht und die Anpassungsfähigkeit nicht mehr ausreichend verfügbar sind, kann ein Mensch dadurch seelisch zusammenbrechen.

Um den Zusammenbruch zu verhindern oder auch zu versorgen, steht als Heilmittel die Psychotherapie zur Verfügung. Psychotherapie ermöglicht Beruhigung und Versorgung der seelischen Not. Außerdem bedeutet Psychotherapie eine seelisch stützende Begleitung, so als würde der Seele eine haltgebende Schiene angelegt, bis es wieder gut ist.